Die innergemeinschaftliche Lieferung ist nach dem EuGH-Urteil ohne eine USt-IdNr. jedoch nur steuerfrei, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung bestehen, und die Ware in den anderen EU-Staat gelangt ist.
Hintergrund:
Lieferungen zwischen Unternehmern innerhalb der EU sind umsatzsteuerfrei. Der deutsche Gesetzgeber knüpft dies aber noch an bestimmte formelle Voraussetzungen, wie z.B. die Vorlage der USt-IdNr. des Abnehmers im EU-Ausland. EIner Lieferung gleichgestellt ist die sog. Verbringung, bei der der Unternehmer die Ware in das EU-Ausland zu seiner eigenen Verfügung in einen dortigen Unternehmensteil verbringt. Hier muss der Unternehmer die Anschrift und die USt-IdNr. des im anderen EU-Staat gelegenen Unternehmensteils aufzeichnen.
In seinem aktuellen Urteil bejahte der EuGH die umsatzsteuerfreiheit:
– Die Umsatzsteuer muss generell neutral sein, darf also den Unternehmer nicht belasten. Der Gesetzgeber darf daher die Umsatzsteuerfreiheit einer Lieferung oder Verbringung nicht von der Erfüllung formeller Pflichten abhängig machen, ohne zu berücksichtigen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit erfüllt sind, also z.B. die Ware in das EU-Ausland gelangt ist.
– Das Fehlen der USt-IdNr. des Unternehmers des anderen EU-Saates allein rechtfertigt daher grundsätzlich nicht die Versagung der Umsatzsteuerfreiheit. Hiervon gibt es allerdings zwei Ausnahmen:
– Der Unternehmer darf sich nicht an einer Umsatzsteuerhinterziehung beteiligt haben.
– Ohne die formelle Voraussetzung wie z.B. die USt-IdNr. kann nicht sichergestellt werden, dass die materiellen Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit erfüllt sind, d.h. die Ware in den anderen EU-Staat gelangt ist und der Abnehmer ein Unternehmer ist.
– Kann eine Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung ausgeschlossen werden, kommt es nicht darauf an, ob der Unternehmer alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um dem Finanzamt die USt-IdNr. des ausländischen Unternehmers mitzuteilen.
Hinweise:
Das Urteil ist unternehmerfreundlich, weil es die Anforderungen an die Umsatzsteurfreiheit für Lieferungen und Verbringungen innerhalb der EU reduziert. Der deutsche Gesetzgeber darf zwar formelle Anforderungen wie die Aufzeichnung der USt-IdNr. aufstellen. Diese Anforderungen haben aber keinen Selbstzweck, sondern verlieren an Bedeutung, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit erfüllt sind und keine Umsatzsteuerhinterziehung vorliegt.
Zwar dient die USt-IdNr. insbesondere der Kontrolle, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt. Dem EuGH zufolge rechtfertigt dies aber nicht, das Fehlen der USt-IdNr. wie die Nichterfüllung der materiellen Voraussetzungen zu behandeln und allein deshalb die Umsatzsteuerfreiheit zu versagen. Der deutsche Gesetzgeber darf jedoch eine gesetzliche Regelung einführen und das Fehlen der USt-IdNr. mit einer angemessenen Geldbuße sanktionieren.